Menschen besitzen ein individuelles Schamgefühl, das gerade oft im Alter hart auf die Probe gestellt wird. Dinge wie Nacktheit und Gebrechlichkeit, aber auch die notwendige Unterstützung bei intimen Dingen wie dem Toilettengang sind klassische Situationen dafür. Doch auch pflegende Angehörige sind mit diesem Thema konfrontiert. Hier kommt es vor allem auf das richtige Taktgefühl an.
Das Schamgefühl entsteht immer dann, wenn Grenzen überschritten werden. Und genau diese werden von der Gesellschaft festgelegt, wobei menschliche Ausscheidungen ebenso ein Tabu sind wie Gebrechlichkeit und Pflegebedarf. Darüber wird nicht oder nur kaum gesprochen. Schamgefühle sind grundsätzlich etwas ganz Natürliches und helfen uns, bestimmte Regeln einzuhalten. Sie zeigen aber auch persönliche Grenzen auf und gewährleisten den individuellen eigenen Schutz jedes Einzelnen, wenn unangenehme Situationen beendet oder anderen Personen Grenzen gesetzt werden.
Die Auslöser von Scham sind grundsätzlich sehr individuell, doch gibt es einige grundsätzliche Aspekte. So etwa ist jeder Eingriff in die Intimsphäre, wie etwa ein direkter körperlicher Eingriff in die Intimsphäre bei der Unterstützung Pflegebedürftiger bei der Körperhygiene, als schambehaftet zu werten. Ebenso können gesellschaftliche Erwartungen dazu zählen, wenn sich beispielsweise eine an Demenz erkrankte Person in der Öffentlichkeit beginnt, auszukleiden. Nacktheit im öffentlichen Raum ist ein gesellschaftliches No-Go, wird der Pflegebedürftige darauf hingewiesen, reagiert er meist mit Scham, beginnt zu weinen oder durchlebt einen Wutausbruch.
Wenn Menschen gedemütigt werden, kann dies ebenso mit einem Schamgefühl behaftet sein, ebenso wie ein stark entstellter Körper bei großen Wunden oder durch eine Krankheit. Auch Kontrollverlust, etwa über Körperfunktionen wie die Ausscheidungen, ist mit Scham behaftet ebenso wie eine zunehmende Abhängigkeit von der Hilfe anderer.
Wer sich als pflegender Angehöriger mit dem Schamgefühl des Betroffenen auseinandersetzen muss, kann unterschiedliche Ansätze wählen. Dazu zählen
Kommt es in einer unmittelbaren Pflegesituation dazu, dass Schamgefühle angesprochen oder sogar verletzt werden, helfen unterschiedliche Maßnahmen für das entsprechende Taktgefühl. Unter anderem ist es oft hilfreich,
Im Endeffekt geht es beim Thema Scham und Schamgefühl zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen immer um einen Abstimmungsprozess untereinander. Das kann sehr schnell schiefgehen und zu Missverständnissen führen. Deshalb ist eine klare, aber dennoch sanfte Kommunikation, die auch über Schamgrenzen hinweg geht, das oberste Prinzip.
Das natürliche Schamgefühl kann auch Fluchtreflexe auslösen oder Wut und Angst hervorbringen. Körperliche Symptome sind dann neben dem Erröten, auch Schwitzen und Weinen oder Zittern. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Übergriffen, sind Tritte und Schläge keine Seltenheit. Oft werden diese Reaktionen falsch verstanden, da ja pflegende Angehörige nur helfen wollen. Doch die Scham des Betroffenen ist wichtig, um richtig bzw. angemessen darauf reagieren zu können.
Bei demenzkranken Personen ist eine gute Reaktion davon abhängig, wie zugänglich sie noch ist. Der Satz „ich werde dich jetzt ausziehen, damit ich dich dann waschen kann“ ist beispielsweise eine gute Taktik.
In diesen Fällen ist ein guter Ansatz, einfach darüber zu sprechen. Oft reagiert der Pflegebedürftige ganz anders und empfindet Pflegehandlungen als durchaus normal, während Angehörige damit eher ein Problem haben. Ein ebenso optimaler Ansatz ist in vielen Fällen der Humor, denn dieser kann Barrieren gut abbauen. Natürlich sollte kein plumper Witz gemacht werden, das ist für eine sensible Situation alles andere als produktiv. Doch gemeinsames Lachen verbindet.
Wer seine Mutter oder seinen Vater plötzlich pflegen muss, erlebt eine typische Rollenveränderung. Immerhin waren es ja früher immer die Eltern, die sich um den Nachwuchs gekümmert und ihn umsorgt haben. Solche Rollenveränderungen sind schwierig und können auf beiden Seiten zu Scham, aber auch Schuldgefühlen führen. Gerade, wenn Kinder ihre Eltern zum ersten Mal als hilfsbedürftig erleben. Umgekehrt sind auch Eltern in dieser Situation mit einer gewissen Art Scham konfrontiert, da sie sich schuldig fühlen, wenn sie davon ausgehen, dass sie den Kindern zur Last fallen.
Auch in dieser Situation ist es ratsam, einfach darüber zu sprechen und sich konkret abzusprechen. Wer beispielsweise als Tochter den Vater nicht intim pflegen möchte, der kann in solchen Situationen ja vielleicht auf ein anderes Familienmitglied setzen.
Natürlich. Denn man kann nicht von jedem erwarten, dass er bereit und in der Lage ist, pflegerische Tätigkeiten bei seinen Angehörigen zu leisten. Derartige Situationen sollten immer offen und ehrlich mit besonders viel Taktgefühl angesprochen werden. In diesem Fall ist es nicht nur für alle Betroffenen einfacher, sondern auch besser, sich professionelle Pflegehilfe in Form eines ambulanten Pflegedienstes beziehungsweise einer 24-Stunden-Pflege ins Haus zu holen. Denn, eines darf nicht vergessen und unterschätzt werden: Scham kann für alle Beteiligten eines Pflegeprozesses innerhalb der Familie auch eine Belastung darstellen. Und das führt über kurz oder lang zu Missstimmungen oder sogar Streit und Verwerfungen, die eigentlich nicht notwendig sind.