Mutter dement und will nicht ins Heim – kein Einzelfall. Viele Eltern oder Großeltern fühlen sich ungeliebt, gar abgeschoben, wenn sie ins Heim müssen. Und das selbst dann, wenn die Tatsache, nicht mehr alleine den Alltag bestreiten zu können, an sich unstrittig ist und auch von den Betroffenen selbst akzeptiert wird.
Dennoch hoffen viele in solchen Fällen auf ein neues Zuhause bei nahen Verwandten, vornehmlich bei den Kindern oder Enkeln. Freilich oftmals, ohne dass deren Lebenssituation und persönlichen Einschränkungen, die mit diesem Schritt unweigerlich einhergehen, bedacht werden.
Denn wer täglich arbeiten geht, wird mit einer nebenberuflichen Vollzeitpflege rasch an seine Grenzen stoßen, zumal vor dem Hintergrund, dass manche pflegerische Maßnahmen Fachwissen erfordern und / oder – je nach Tätigkeit – auch Ekel ins Spiel kommt.
Andere, die vielleicht könnten, wollen wiederum nicht, da ihnen die Bürde und die Verantwortung zu groß scheinen. Und auch das muss und sollte – trotz einer womöglich bestehenden moralisch-ethischen Verantwortung für die eigenen Eltern – akzeptiert werden.
Freilich besteht für den Unterhalt der Eltern eine gesetzliche Pflicht. Die bedeutet jedoch lediglich, dass sich die Kinder – in Abhängigkeit von ihrem persönlichen Einkommen – ggf. an der Heimunterbringung ihrer Eltern beteiligen müssen. Das freilich nur, wenn die Grenze von 100.000 Euro beim Jahresbrutto-Einkommen überschritten wird und auch nur für die eigenen Eltern. Sprich: Für Schwiegereltern oder Großeltern muss nicht gezahlt werden.
Freilich löst diese juristische Klarstellung weder das moralisch-ethische Dilemma noch den womöglich durch die Heimunterbringung aufkeimenden innerfamiliären Konflikt.
Die Probleme der pflegenden Angehörigen werden oftmals ausgeblendet
Tatsächlich werden nämlich auch in der öffentlichen und / oder politischen Diskussion die pflegenden Angehörigen oftmals ausgeblendet. Denn lediglich die professionellen Pflegekräfte waren in aller Munde. Während nahe Angehörige, die ihre pflegebedürftigen Eltern oder Großeltern betreuen kaum bedacht wurden.
Dabei ist die körperliche wie auch psychische Belastung enorm. So sind Rückenschmerzen und eine schleichende Erschöpfung gang und gebe. Auch die seelischen Folgen dürfen nicht unterschätzt werden. Schließlich erleben pflegende Angehörige den sukzessiven Verfall ihrer Liebsten tagtäglich hautnah.
Wer diese verantwortungsvolle Tätigkeit übernehmen möchte, muss daher auch auf sich selbst Acht geben. Dazu gehört es, sich kleine Auszeiten und Freiräume vom Pflegealltag zu gönnen. Zudem müssen sich die Betroffenen ihrer finanziellen Einbußen (selbst wenn die nicht-gewerbsmäßige Pflege auf die Rente angerechnet wird) bewusst sein. Mehr Inforamtionen dazu finden Sie in unserem Artikel „Verhinderungspflege“.
Pflege bis zum Burnout-Syndrom, oder sollten Oma oder Opa nicht lieber doch ins Heim?
Tatsächlich sehen Experten, aber auch die betreuenden Hausärzte (zumal dann, wenn sowohl die Pflegebedürftigen wie auch die Angehörigen bei ihnen in Behandlung sind) in der Pflege eine schleichende Gefahr. Die Bedrohung einer körperlichen wie auch emotionalen Erschöpfung, die anfangs oftmals noch verdrängt wird.
Doch spätestens ein echter Burnout lässt sich dann nicht mehr verleugnen. Und der tritt weitaus häufiger bei pflegenden Angehörigen auf, als dies Außenstehenden und Laien bekannt ist. Schließlich werden hierzulande 1,2 Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen zu Hause betreut. Davon geben laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse wiederum bedenkliche 40 Prozent an, dass sie unter Dauerstress stehen.
Zahlen und Erkenntnisse, die womöglich die Grundlage für ein schwieriges, aber unvermeidliches Gespräch bilden? Denn bei aller Liebe und moralisch-ethischen Verantwortung kann ja die Pflege bis zur Selbstaufgabe nicht das Ziel sein.
Mitunter ist die Heimunterbringung nahezu unvermeidlich, vornehmlich dann, wenn neben den körperlichen Gebrechen auch noch eine zunehmende Verwirrtheit ins Spiel kommt. Denn schlimmstenfalls gefährden sich die Pflegebedürftigen dann selbst und / oder bringen die sie betreuenden Angehörigen permanent um den Schlaf. Wenn also der Vater / die Mutter dement ist und nicht ins Heim will, ist ein Konflikt vorprogrammiert.
Somit kann es Sinn machen, schon dann die Diskussion zu führen und Vorsorge zu treffen, solange die (Groß-) Eltern noch körperlich und vor allem geistig fit sind. Bevor der Vater / die Mutter dement ist und nicht ins Heim will.
Dennoch werden natürlich nur die wenigsten Betroffenen gerne in ein Heim wollen. Im Umkehrschluss müssen sich jedoch alle Beteiligten des latenten Konfliktpotentials, wenn alte Eltern und bereits erwachsene Kinder plötzlich wieder zusammenleben sollen, bewusst sein. Manchmal können ein gutes Heim und regelmäßige Besuche daher der für beide Seiten bessere Weg sein.
Doch natürlich müssen auch die Kinder und Enkel ihrerseits auf die Sorgen und Nöte der (Groß-) Eltern eingehen. Die fürchten sich nämlich vor einer Vereinsamung und vielem mehr.
Tatsächlich kann sich ein bereits bestehendes Beschwerdebild verschlimmern, wenn Vater oder Großmutter ins Heim kommen. Denn bis dato gab die gewohnte Umgebung eine gewisse Sicherheit, und gerade alte und / oder verwirrte Personen stellen sich nur schwer auf neue Lebensumstände ein. Somit kann es Sinn machen, den Schritt der Heimunterbringung eher früh als spät zu wagen.
Zudem können die eigenen Möbel, Bilder und andere Erinnerungsstücke wie auch die Tatsache, dass Vater und Mutter noch als Paar (und nicht erst verwitwet) in ein Heim ziehen, die Umstellung erleichtern. Auch regelmäßige Besuche der Kinder und Enkel sorgen für Glücksmomente und das Gefühl, noch geliebt und gebraucht zu werden.
Übernachtungen bei den Kindern oder Enkeln – ausgenommen natürlich typische Familienfeste wie Weihnachten oder Ostern – sehen viele Experten und Heimleitungen dagegen durchaus kritisch. Denn dann könnte der Fall eintreten, dass sich die Pflegebedürftigen so wohlfühlen, dass sie gar nicht mehr zurück wollen.
Und damit würden dann die Diskussionen und das Dilemma wieder von vorn anfangen.