Werden Personen als schwerbehindert eingestuft, erhalten sie zahlreiche Leistungen, um die Nachteile gegenüber Personen ohne Behinderung auszugleichen. Deshalb macht es für viele Sinn, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Hier erfahren Sie welche Vorteile ein Schwerbehindertenausweis mit sich bringt, welche Voraussetzungen dafür zutreffen müssen und welche Mythen damit verbunden sind.
Ob Sie ein Anrecht auf die Beantragung eines Schwerbehindertenausweis haben, hängt von mehreren Faktoren ab. Sprechen Sie daher am besten zuerst mit Ihrem Hausarzt, welcher Anspruch bestehen könnte und welche Nachweise oder Atteste Sie benötigen. Unter Umständen ist auch eine hausärztliche Stellungnahme zu Ihrem Gesundheitszustand hilfreich - denken Sie dann daran, dass Sie Ihren Arzt dazu von der Schweigepflicht entbinden müssen.
Abhängig vom Grund der Schwerbehinderung müssen Sie verschiedene Dokumente zum Nachweis einreichen. Wenn mehrere Erkrankungen oder Behinderungen vorliegen, sollten Sie auch jede davon nachweisen, auch wenn der Schweregrad unterschiedlich ausgeprägt ist.
Die wichtigsten Dokumente sind Befunde oder Gutachten bereits abgeschlossener oder aktueller Therapien mit Behandlungszeitraum, Nachweise über Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte und medizinische Unterlagen wie EKG-Befunde, Laborberichte und Ähnliches. Auch Anerkennungsbescheide von Behörden (z.B. bei Arbeitsunfällen) und Bescheide über bereits gestellte Anträge bei sozialen Leistungsträgern sind wichtig.
Da der Schwerbehindertenausweis unter das Landesrecht fällt, unterscheiden sich die Anträge je nach Bundesland. Auf der Website Ihrer Landesregierung finden Sie die Anträge oder die Adresse, unter der Sie einen Antrag anfordern können. Ebenso finden Sie dort Ihr Versorgungsamt, an das Sie den Antrag richten.
Innerhalb von 3 bis 7 Wochen hat das Versorgungsamt über Ihren Antrag zu entscheiden. Wird er positiv beschieden, erhalten Sie direkt den Ausweis in Form einer Scheckkarte. Er ist dann 5 Jahre gültig. Ab 3 Monate vor dem Ablauf der Gültigkeit können Sie eine Verlängerung beantragen und müssen dafür in der Regel erneut Ihre Unterlagen einsenden.
Das Versorgungsamt ist auch zuständig, wenn sich während dieser 5 Jahre oder nach negativem Bescheid Ihr Gesundheitszustand ändert und eine Neubewertung des Antrags erforderlich ist.
Den Antrag für einen Schwerbehindertenausweis können Sie beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Abhängig vom individuellen Landesrecht kann auch das Landratsamt oder das Landesamt für Soziales dafür verantwortlich sein. Wenn Sie sich hier unsicher sind, fragen Sie am besten bei Ihrer Stadtverwaltung bzw. der örtlichen Gemeindeverwaltung nach. Dort können Sie auch dann formlos die Zusendung des Antragsformulars erledigen, wobei einige Versorgungsämter dieses auch online zur Verfügung stellen.
Das Versorgungsamt holt in der Folge die notwendigen Befunde ein und erstellt auf deren Basis einen sogenannten Feststellungsbescheid. Dieser enthält auch den Grad der Behinderung und die damit verbundenen und zuerkannten Merkzeichen. Sie können den Bearbeitungszeitraum des Schwerbehindertenantrages auch verkürzen, indem Sie vorher selbst alle Befunde über die Gesundheitsbeeinträchtigungen beim Arzt oder Krankenhaus einholen und gleich mit dem Antrag vorlegen.
Hier finden Sie eine übersichtliche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Beantragung eines Schwerbehindertenausweises für alle Bundesländer.
Sobald Sie bzw. Ihr pflegebedürftiger Angehöriger den Schwerbehindertenausweis erhalten haben, müssen Sie ihn im Fall der Fälle bei öffentlichen Stellen wie Behörden, Sozialleistungsträgern, aber auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Arbeitgeber vorlegen. Der derzeit ausgehändigte Ausweis ist grün und hat ein Scheckkartenformat. Wenn Sie oder Ihr pflegebedürftiger Angehöriger damit Anspruch auf eine unentgeltliche Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln haben, ist das Dokument auf der halben Seite in Orange gehalten.
Es liegt auf der Hand, dass es Schwerbehinderte in einer Umwelt, die sich vorwiegend an Menschen ohne Beeinträchtigungen orientiert, schwierig haben. Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, hier wichtige Hürden zu reduzieren und Nachteile auszugleichen. Diese Rechte und Leistungen werden auch als Nachteilsausgleich bezeichnet und ergeben sich aus dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch, kurz SGB IX.
Diese besonderen Rechte können Personen mit einer Schwerbehinderung nur dann geltend machen, wenn sie ihre gesundheitlichen Einschränkungen mit einem Schwerbehindertenausweis nachweisen. Die Ausgabe dieses Dokumentes erfolgt über die Schwerbehindertenausweisverordnung, wofür das zuständige Versorgungsamt zuständig ist.
Wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt, so ist dieser fünf Jahre gültig. Er kann in der Folge zwei Mal verlängert werden, bevor eine neuerliche Antragstellung mit Prüfung erfolgen muss.
Personen sind nach dem SGB IX beeinträchtigt, wenn entweder die körperlichen Funktionen, die geistigen Fähigkeiten oder aber die seelische Gesundheit davon abweicht, wie der typische Zustand im vorliegenden Lebensalter zu erwarten ist und damit die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.
Wie schwer eine Person behindert ist, wird durch den sogenannten Grad der Behinderung, kurz GdB, definiert. Ermittelt wird dieser durch geschulte Mitarbeiter des Versorgungsamtes aus ärztlichen Befunden oder Berichten von Reha-Einrichtungen bzw. medizinischen Gutachten. Zur Anwendung kommen dabei einheitliche medizinische Richtlinien, die in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen zu finden sind. Sind sich die Mitarbeiter mit ihrer Begutachtung nicht sicher, oder ergibt sich keine einheitliche Einschätzung, kann auch eine ärztliche Untersuchung angeordnet werden.
Der Grad der Behinderung ist in Zehnerschritten gestaffelt und liegt zwischen 20 und 100. Ab 20 gilt eine Person als behindert, wobei eine Schwerbehinderung ab 50 angenommen wird. Erst dann kann der Schwerbehindertenausweis beantragt werden. Sind mehrere Erkrankungen vorhanden, die den Lebensalltag des Betroffenen beeinflussen, wird ein Gesamt-Grad der Behinderung definiert, der allerdings nicht dadurch zustande kommt, dass die einzelnen Grade einfach addiert werden. Vielmehr ist dann entscheidend, wie sich die einzelnen vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu- und untereinander auswirken.
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Vorliegen und auch den Grad einer Schwerbehinderung bestimmen, ebenso wie eingetragene Merkmale. Entscheidend ist der Grad der Beeinträchtigung für den Alltag und die Lebensqualität, sodass Betroffene derselben Krankheit auch unterschiedliche Schwerbehindertengrade tragen können. Kommen mehrere Beeinträchtigungen zusammen, werden diese nicht addiert, sondern eine Gesamtbetrachtung erstellt, die die alleinige Grundlage für den erteilten Schwerbehindertengrad bildet.
Dennoch kann man anhand von Krankheiten und Ausprägung der Einschränkungen einen ungefähren Überblick erwerben, was einem zustehen könnte.
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Vollständiger Verlust mindestens zweier Gliedmaßen |
100 |
Verlust eines Armes oder Beines |
50 - 100 |
Verlust einer Hand |
50 |
Verlust eines oder mehrerer Finger an einer Hand |
10 - 50 |
Verlust von Fingern an mehr an einer Hand |
80 - 100 |
Versteiftes oder eingeschränktes Schultergelenk |
30 - 50 |
Verlust eines Fußes |
30 - 70 |
Versteifung beider Hüftgelenke |
100 |
Ein- oder zweiseitige Prothese im Hüft- oder Kniegelenk |
20 - 50 |
Beckenschaden (je nach Auswirkung auf Funktionalität) |
0 - 40 |
Wirbelsäulenschaden (je nach Auswirkung auf Stabilität und Bewegungsfähigkeit) |
0 - 100 |
Muskelerkrankung (je nach Auswirkung auf Anspannungsfähigkeit und Koordination) |
20 - 100 |
Kleinwuchs (je nach Größe, nur bis 140 cm) |
30 - 100 |
Knochenlücken in der Schädelsubstanz (je nach Verlustmenge) |
10 - 30 |
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Ausfall oder Verlust einer Niere bei Funktionseinschränkung der anderen |
25 - 100 |
Einschränkung der Nierenfunktionalität (nach Grad der Funktionseinschränkung) |
20 - 100 |
Nierensteinleiden mit Koliken (je nach Häufigkeit der Koliken) |
0 - 30 |
Nierenschäden mit Funktionseinschränkungen nach Entfernung eines Tumors |
50 - 100 |
Darmfunktionsstörungen |
20 - 40 |
Inkontinenz (je nach Auswirkungsgrad) |
20 - 70 |
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Linsenverlust eines Auges (je nach Sehschärfe) |
10 - 30 |
Strabismus |
10 - 30 |
Fehlstellung der Lider |
0 - 20 |
Farbenblindheit |
10 - 20 |
Gesichtsfeldausfälle |
10 - 70 |
Nach Entfernung eines Augentumors in den ersten 5 Jahren |
50 - 80 |
Vollständige Erblindung |
100 |
Tinnitus |
10 - 40 |
Schwerhörigkeit (ein oder beide Ohren, je nach Grad) |
0 - 80 |
Taubheit (ein Ohr) |
20 |
Taubheit (beide Ohren) |
80 - 100 |
Taubblindheit |
60 - 100 |
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Kontaktekzem (nach Ausdehnung, Häufigkeit des Auftretens und Einschränkung des Alltags) |
0 - 50 |
Akne (nach Form und Schweregrad) |
0 - 50 |
Psoriasis vulgaris (je nach Schweregrad) |
0 - 50 |
Rosazea (je nach Schweregrad) |
0 - 30 |
Kompletter Haarausfall, auch an Wimpern und Augenbrauen |
30 |
Chronisch auftretender Herpes Simplex (je nach Ausdehnung und Häufigkeit) |
0 - 29 |
Pigmentstörung im Gesicht oder an den Händen (je nach Ausdehnung) |
10 - 20 |
Hautkrebs (je nach Stadum) |
50 - 80 |
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Hirnschäden (je nach Leistungsbeeinträchtigung oder psychischer Störung) |
30 - 100 |
Entwicklungsstörungen (je nach Auswirkung auf Gesamtentwicklung) |
10 - 100 |
Legasthenie (je nach Leistungsauswirkung) |
0 - 50 |
Dyskalkulie |
20 - 40 |
Autismus |
50 - 100 |
ADHS (je nach Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit) |
30 - 80 |
Intelligenzminderung (je nach Auswirkung auf Leistungsfähigkeit) |
30 - 100 |
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Restlähmung der Gliedmaßen aufgrund zerebraler ursachen |
30 |
Hemiplegie |
100 |
Parkinson-Störung (je nach Grad der Störungen) |
30 - 100 |
Multiple Sklerose (je nach Grad der Einschränkung) |
50 - 100 |
Epilepsie (je nach Anfallshäufigkeit und Länge der Pausen) |
40 - 100 |
psychosoziale oder emotionale Störung mit erheblicher Dauer |
50 - 80 |
Mehr als ein halbes Jahr andauernde Psychose |
50 - 100 |
Schizophrener Residualzustand (je nach Grad Anpassungsstörung) |
0 - 100 |
Affektive Psychose (je nach Dauer) |
30 - 100 |
Mittlere bis starke psychische Störung |
30 - 100 |
Rückenmarksschäden (je nach Grad Lähmung und Auswirkung auf Blasen- und Darmfunktion) |
30 - 100 |
Zerebralparese (je nach Schweregrad) |
30 - 100 |
Muskeldystrophie (je nach Stadium) |
30 - 70 |
Schädel-Hirn-Trauma (je nach Schweregrad) |
20 - 80 |
Demenz (je nach Schweregrad) |
50 - 100 |
Fatigue-Syndrom |
30 - 50 |
Behinderung oder Erkrankung |
Grad der Behinderung |
Diabetes mellitus (je nach Typ und Einstellung) |
10 - 50 |
Adipositas |
30 |
Mukoviszidose (je nach Einschränkungen der Lungenfunktion) |
20 - 100 |
Allergien (je nach Schweregrad) |
10 - 50 |
Bronchialasthma |
0 - 50 |
Chronische Schmerzen |
10 - 70 |
Hier finden Sie eine weitere Übersicht zum Thema: Schwerbehindertenausweis Krankheiten Tabelle
Wenn Sie sich einen Schwerbehindertenausweis genauer ansehen, werden Sie sogenannte Merkzeichen finden. Diese präzisieren die Art der Behinderung und berechtigen teilweise zu erweiterten Nachteilsausgleichen.
Folgende Merkzeichen sind zu finden:
Wer einen Schwerbehindertenausweis beantragen möchte, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Neben der Schwerbehinderung, also GdB von 50 und mehr, muss der Wohnsitz in Deutschland nachgewiesen werden oder der Betroffene zumindest im deutschen Bundesgebiet arbeiten bzw. sich für gewöhnlich hier aufhalten.
Zu den sogenannten Nachteilsausgleichen bei einer Schwerbehinderung gehören laut SGB IX folgende Leistungen
Es kann natürlich vorkommen, dass sich im Laufe der Zeit der Grad der Behinderung bei Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen ändert. Tritt eine Verschlechterung ein, muss unverzüglich der Antrag gestellt werden. Dann kommt es zu einer Prüfung und Bestimmung wie weit sich physische und psychische Funktionsbeeinträchtigungen entwickelt haben. In der Folge wird der Grad der Behinderung und damit verbunden eventuell die Merkzeichen im Ausweis adaptiert.
Irrtümer und Irrglauben in Zusammenhang mit einem Schwerbehindertenausweis
Die Nachteilsausgleiche überwiegen zwar im besonderen Maß, dennoch hat nicht jeder, der einen Schwerbehindertenausweis hat, die gleichen Rechte. Auch ist manchmal der Ausweis allein nicht ausreichend, um einen entsprechenden Anspruch durchzusetzen.
In Verbindung mit dem Schwerbehindertenausweis gibt es zahlreiche Mythen, die jedoch nicht unbedingt stimmen müssen.
Das ist grundsätzlich falsch, denn nur der Schwerbehindertenausweis allein berechtigt dazu nicht. Sie benötigen dazu einen separaten Parkausweis, den Sie nur mit dem Merkzeichen aG und BI erhalten können.
Das ist nicht ganz richtig, denn auch wenn ein erhöhter Kündigungsschutz für Schwerbehinderte besteht, heißt das nicht, dass sie unkündbar sind. Der Arbeitgeber muss bei der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einholen, sonst ist die Kündigung nicht rechtswirksam.
Ist die kostenlose Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ein weiterer Vorteil durch den Schwerbehindertenausweis? Das ist korrekt, denn der Gesetzgeber ermöglicht die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten im öffentlichen Nahverkehr. Meistens ist der Transport jedoch nicht komplett kostenlos, sondern Betroffene müssen eine Wertmarke beim Versorgungsamt beantragen. Diese gilt dann ein halbes oder ganzes Jahr und kostet zwischen 40 Euro und 80 Euro.
Wer in seinem Schwerbehindertenausweis B, H, VB oder EB stehen hat, bekommt eine kostenlose Wertmarke, die auf einem Beiblatt mitgeführt werden muss.
Grundsätzlich bringt der Schwerbehindertenausweis nur Vorteile für die Betroffenen. Nachteile kann er jedoch bei jungen Erwerbstätigen und Azubis bringen. Denn oft ergeben sich dann Schwierigkeiten bei der Berufswahl oder beim Wechsel des Arbeitsplatzes. Außerdem ist wichtig zu wissen, dass es nicht für alle Personen mit einem Schwerbehindertenausweis dieselben Vorteile gibt. Es gilt die Merkzeichen zu beachten.