Das chronische Erschöpfungssyndrom ist eine ernste Erkrankung des Nervensystems, die das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinflusst. Als eine der Langzeitfolgen von Covid-Infektionen ist die Krankheit in den letzten Jahren schlagartig bekannter geworden, dennoch wissen viele noch immer nicht viel über die Symptome, Therapiemöglichkeiten und welche Unterstützung das staatliche Gesundheitssystem bietet.
Chronic Fatigue-Syndrome (CFS) oder chronisches Erschöpfungssyndrom ist eine sogenannte neuroimmunologische Erkrankung. Die Ursachen sind noch ungeklärt, auch wenn neuere Studien eine Autoimmunerkrankung und eine Störung des Energiestoffwechsels nahelegen. Oft folgt es aber einer Infektionskrankheit, wobei die Pathogene, also das auslösende Virus, sehr unterschiedlich sein können. Nach der Covid-Pandemie zeigte sich aber ein deutlicher Anstieg der Erkrankten als Langzeitfolge.
Es ist eine eigenständige Erkrankung, auch wenn die Symptome oft den Symptomen anderer Krankheitsbilder ähneln. Daher wird es oft erst spät diagnostiziert, wenn die Betroffenen schon einen langen Leidensweg hinter sich haben. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der noch jungen Forschung es keine einheitlichen Diagnosekriterien gibt, sodass CFS in der Regel erst dann in Erwägung gezogen wird, wenn in der Differentialdiagnose keine anderen Erkrankungen passender sind.
Zur Zeit gibt es noch keine Therapiemöglichkeit über die Linderung von Symptomen hinaus und daher auch keine Heilung. Gerade durch den Erkrankungsanstieg nach der Pandemie hat die Forschung allerdings viel Unterstützung auch durch finanzielle Mittel gewonnen.
Während die ältere Literatur noch häufig nur vom chronischen Erschöpfungssyndrom oder chronischem Müdigkeitssyndrom spricht, hat sich in der Medizin der Begriff ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome) etabliert, der die Krankheit umfassender beschreiben sollte, jedoch auf einer bis heute nicht bestätigten Ursachenthese beruht. Im ICD-10 wurde 2023 die Bezeichnung Chronic Fatigue Syndrom festgelegt.
Mit Burnout bezeichnet man einen anhaltenden Erschöpfungszustand aufgrund von Überlastung, der nicht zwangsläufig chronisch sein muss. Er ist dem Krankheitsbild der Depression sehr ähnlich und oft auch mit diesem verflochten. Betroffene fühlen sich paralysierend müde, nehmen Gefühle wie Freude, aber auch Schmerz nur noch dumpf oder gar nicht mehr wahr und sind zunehmend antriebs- und lustlos. Auch körperliche Folgen wie Schmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder Schlafstörungen sind nicht selten.
Der Unterschied zwischen Burnout und dem chronischen Erschöpfungssyndrom liegt besonders im Auslöser bzw. der Ursache sowie der Behandlungsmöglichkeiten. Während Burnout normalerweise auf Belastungssituationen im Berufs- oder Privatleben zurückzuführen ist, ist die Ursachenermittlung bei CFS weniger eindeutig. Daher kann ein Burnout auch meist gut und spezifisch behandelt werden, sodass die Betroffenen wieder die Kontrolle über ihren Alltag und ihre mentale Gesundheit zurückerlangen und auch einem weiteren Burnout vorbeugen können. Beim chronischen Erschöpfungssyndrom hingegen können Therapien zwar Symptome lindern und auch zeitweise Besserung herbeiführen, jedoch nur selten zu einer vollständigen Heilung führen.
ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome. Der Begriff umschreibt das chronische Erschöpfungssyndrom als Teil eines Erkrankungsbildes.
Myalgisch übersetzt sich in etwa: „Schmerzende Muskulatur“, „Enzephalomyselitis“ besteht aus den Worten Enzephalitis (Gehirnentzündung) und Myelitis (Rückenmarksentzündung). Der Begriff deutet auf die frühen Erklärungsansätze für die Krankheit hin, die vor allem eine neurologische Ursache vermuteten. CFS, Chronic Fatigue Syndrome, ist eine ältere Bezeichnung für die ausgeprägten Symptome Müdigkeit bis zur Bewegungsunfähigkeit, lähmender Antriebslosigkeit und Gliederschmerzen.
Fatigue ist ein Symptom vieler Krankheitsbilder und beschreibt einen allgemeinen Ermüdungszustand, der diverse Ursachen haben kann und sowohl vorübergehende wie verbleibende Ermüdung umfasst. Das Erschöpfungssyndrom hingegen ist ein eigenständiges Krankheitsbild.
Kennzeichnend für den Unterschied ist vor allem, dass Fatigue als Symptom oder Folge einer Erkrankung eine klare Ursache hat und damit auch behandelbar ist. Entweder direkt behandelt oder nach Behandlung der zugrundeliegenden Krankheit verbessert sie sich oder verschwindet. CFS dagegen ist nicht heilbar.
Das deutlichste Symptom von ME/CFS ist anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung, die bis zu einer völligen Regungslosigkeit reichen kann. Sie kann grundlos auftreten, aber auch auf Anstrengung folgen. Dabei steht die Erschöpfung aber in keinem normalen Verhältnis zur Anstrengung selbst. Oft sind dies auch die ersten beobachtbaren Anzeichen, wenn Dinge wie Treppensteigen bereits deutlich anstrengender wirken als zuvor.
Verschlechtert sich das Syndrom, greift es auch massiver in den Alltag ein. Betroffenen fällt es immer schwerer, alltägliche Aufgaben zu erledigen. Viele berichten von gleichzeitig einem hohen Ermüdungsgrad und einem erhöhten Schlafbedarf, der aber keinerlei Wirkung zu zeigen scheint.
Bei einigen Betroffenen entwickeln sich zudem individuell starke Schmerzen an verschiedenen Körperstellen. Typische Schmerzfolgen von Stress und Erschöpfung wie Kopf- und Gliederschmerzen oder muskelkaterähnlichem Schmerz sind nicht selten.
ME/CFS kann schubweise oder chronisch auftreten. Manche berichten von guten Phasen, in denen sie auch etwas mehr Anstrengung bewältigen können, die aber auch schnell in eine Überforderung und damit in eine teils wochenlange Erholungsphase umschlagen können.
Auch kognitive Anstrengungen werden mitunter als Belastung verstanden. Die Folge sind eine verminderte Informationsaufnahme, langsames Denken, Schwierigkeiten mit der Konzentration, Desorientierung und Verwirrung bis hin zur Bewusstseinstrübung. Auch neurologische Ausfälle der Sprache wie Wortfindungsstörungen und verlangsamte Sprechweise, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und Entscheidungshemmung sind bekannt.
Da für das chronische Erschöpfungssydrom bislang keine konkrete Ursache bekannt ist, existiert auch noch kein standardisierter Test oder Kriterienkatalog zur Diagnose. In der Regel wird anhand der Symptome und bei Abklärung aller anderen Möglichkeiten durch Ausschlussverfahren ME/CFS diagnostiziert.
Biologisch kann die Diagnose nur unterstützt werden, ohne alleinstehend eine Aussage treffen zu können. In den ersten Jahren reagiert das Immunsystem vieler CFS-Patienten stärker auf körperliche Anstrengung.
Da bislang keine Therapie zugelassen und erfolgreich getestet wurde, kann weder über die Dauer noch über Behandlungserfolge eine generelle Aussage getroffen werden. Meist können nur Symptome gelindert werden, indem Betroffene Strategien für die Bewältigung des Alltags und zur Vorbeugung von Überlastung entwickeln. Typischerweise kommt dabei das sogenannte Pacing zum Einsatz, mit dem Betroffene ihren Energiehaushalt kontrollieren und regulieren lernen. Zusätzlich empfehlen auch viele Betroffene Bewältigungsstrategien aus der kognitiven Verhaltenstherapie, wie das Umstrukturieren von negativen Gedanken oder das Festlegen von realistischen Zielen.
Umstritten ist das Ziel von einer Erhöhung der körperlichen Fitness als Stärkung des Körpers gegen das Syndrom. Das britische Gesundheitswesen (National Institute for Health and Care Excellence) rät in seinen Behandlungsleitlinien sogar deutlich von physischen Herausforderungen im Therapieumfeld ab, sofern die Betroffenen das nicht selbst wünschen oder nachweisbar einen positiven Effekt verspüren.
Erschwert wird die Therapie oft von ärztlicher Unkenntnis oder auch Unverständnis wie auch die Reaktion des sozialen Umfelds auf die Betroffenen. Noch immer wird CFS stark stigmatisiert und als mangelnder Wille interpretiert, sodass eine Diagnose sich noch weiter verzögert. Dadurch verschieben Betroffene ihre Belastungsgrenze aber zunehmend, was die Krankheit zusätzlich verschlechtert.
Menschen, die mit chronischem Erschöpfungssyndrom leben, sind meist in ihrem Alltag sehr bis schwer beeinträchtigt. Jeder vierte Patient erreicht mindestens einmal im Leben den Punkt, an dem er oder sie die Wohnung für einen bestimmten Zeitraum nicht mehr verlassen kann oder sogar bettlägrig ist. Das Aktivitätsniveau ist im Vergleich zu gesunden Menschen um 50% oder mehr verringert, was sich auf das berufliche und soziale Leben enorm auswirkt.
Darüber hinaus erleben viele Betroffene Unverständnis und Ablehnung, die ihrerseits zu sozialer Isolation und Überlastung führen. Einbußen im Berufsleben können bis zu einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz führen, da nicht nur die Diagnose erst spät gestellt wird, sondern auch das Aufsuchen von Hilfe selbst eine anstrengende Belastung darstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass medizinische Dienste, Sachbearbeiter und andere beteiligte Dritte nur wenig Kenntnis von ME/CFS haben und dadurch die Anzahl der abgelehnten Anträge sehr hoch ist.
Eine Erwerbsminderungsrente soll das Erwerbseinkommen ersetzen, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch teilweise arbeitsfähig sind. Zuvor müssen Sie jedoch alles probiert haben, um weiterhin in Ihrem erlernten Beruf oder durch eine Umschulung erwerbsfähig zu bleiben, üblicherweise durchlaufen Sie daher zuerst eine Reha. Auch besteht ein Anspruch nur dann, wenn Sie bereits seit fünf Jahren vor Beginn der Erkrankung rentenversichert sind und währenddessen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben.
Dies gilt auch bei ME/CFS, allerdings kann die Erkrankung bereits so schwer ausgeprägt sein, dass schon die Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme nicht möglich ist, ebenso wie eine Umschulung. Wenn Sie daher die weiteren Voraussetzungen erfüllen, kommt eine Erwerbsminderungsrente in Frage. Oft ist es aber schwierig, das Einsetzen der Krankheit festzuhalten und so die fünf Jahre Wartezeit vor Erkrankung festzulegen.
Es gibt noch keinen konkreten Bewertungsmaßstab für die Erteilung eines Grad der Behinderung bei ME/CFS, daher werden bei Antrag in den Symptomen vergleichbare Erkrankungen herangezogen. Somit lässt sich keine generelle Aussage treffen, ob Betroffene von ME/CFS einen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis oder die Feststellung eines Schwerbehindertengrades haben. Gleichzeitig ist dadurch die Möglichkeit gegeben, einen Schwerbehindertengrad von 10% bis 100% zu erreichen.
ME/CFS begründet nicht grundsätzlich eine Pflegebedürftigkeit, da sich die Pflegedienstleistungen für die jeweiligen Pflegegrade sich weniger an konkreten Krankheitsbildern als an der Ausprägung und der daraus resultierenden Einschränkung im Alltag bemessen. Somit ist es aber nicht unüblich, dass ein Pflegegrad festgestellt wird, da die Krankheit in der Regel chronisch bleibt und somit auch die Pflegebedürftigkeit nicht nur temporär ist.
Meist beantragen Betroffene oder Angehörige die Feststellung aber sehr spät, sodass schon der Pflegegrad 4 oder Pflegegrad 5 vorliegt. Es liegen jedoch nur sehr wenige Daten vor, da einerseits viele Anträge abgewiesen werden und andererseits noch zu selten Hilfe beantragt wird.