Nur nach einer MD Begutachtung, also eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst kann ein Pflegegeld ausgezahlt werden. Dabei prüfen Experten, ob – und wenn ja in welchem Umfang – eine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Ein Prinzip, das sich gemeinhin bewährt hat. Immerhin handelt es sich beim Pflegegeld um Summen, die von der Solidargemeinschaft, sprich jedem einzelnen Beitragszahler, erbracht werden. Insofern ist eine faire Begutachtung und Einstufung eine gesellschaftliche Pflicht.
Dabei stellt die so genannte Pflegebegutachtung nur einen Teil des Aufgabenbereiches des Medizinischen Dienstes dar. Denn der MD gibt auch sozialmedizinische Stellungnahmen zur Notwendigkeit und Dauer von Krankenhausbehandlungen, zu zahnmedizinischen Leistungen oder Reha-Maßnahmen ab.
Organisiert ist der Medizinische Dienst auf Ebene der Bundesländer und vergibt zudem „Noten“ (zwischen „sehr gut“ und „mangelhaft“) hinsichtlich der Qualität der stationären wie auch ambulanten Pflege. Der Medizinische Dienst ist also nicht nur für Anträge auf Pflegegrade zuständig, sondern auch für die Überprüfung der Qualität von Pflegeeinrichtungen und Dienstleistern.
Tatsächlich sollte niemand Angst vor dem Termin haben. Denn dabei geht es lediglich darum, den Grad der Einschränkungen bzw. die noch vorhandenen (Rest-)Fähigkeiten von Senioren oder Pflegebedürftigen zu ermitteln und danach – anhand eines klar vorgegeben Punktesystems – eine faire und transparente Einstufung vorzunehmen.
Vorausgegangen ist dieser Pflegebegutachtung ein Antrag, den Sie als betroffene Person oder auch als Angehörige bei der zuständigen Pflegekasse gestellt haben. Die wiederum beauftragt dann den MD einem Gutachten.
Beim Besuch durch die Gutachter des Medizinischen Dienstes geht es zunächst einmal darum, die pflegebedürftige Person und deren Wohnumfeld besser kennenzulernen. Falls bereits ein Hilfsdienst in die Wohnung kommt, werden die Mitarbeiter des MD unter anderem dessen Pflegedokumentation einsehen.
Auch in persönlichen Gesprächen versuchen die Gutachter des Medizinischen Dienstes, in aller Regel Ärzte oder speziell ausgebildete Pflegekräfte, die bereits vorhandenen Einschränkungen der Selbstständigkeit zu bewerten und die Betroffenen entsprechend einzustufen: „Schildern Sie im Gespräch mit dem Gutachter oder der Gutachterin, mit welchen Einschränkungen und pflegerischen Herausforderungen Sie zurechtkommen müssen und was genau Ihnen im Alltag Schwierigkeiten bereitet“, rät der MD auf seiner eigenen Webseite.
Natürlich können Sie auch Freunde oder Verwandte – am besten natürlich diejenigen, die Sie ohnehin im Alltag unterstützen – mit zu dem Termin bitten und ärztliche Befunde oder Atteste Ihres Hausarztes vorlegen. Hilfreich ist alles, was den tatsächlichen Hilfsbedarf belegt. Also bleiben Sie sachlich und ehrlich. Denn der Medizinische Dienst ist kein Gegner, sondern ein wichtiger Ansprechpartner, der seinerseits Tipps gibt oder Hilfsmittel zur Bewältigung des Alltags vorschlägt.
Als Gutachter beim Hausbesuch fungieren, wie bereits beschrieben, speziell ausgebildete Pflegekräfte oder sogar Ärzte. Dennoch kann es vorkommen, dass Pflegebedürftige und/oder deren Angehörige mit einer Einstufung nicht zufrieden sind und dann Widerspruch einlegen, was ihr gutes Recht ist.
Tatsächlich zeigen sich gerade Senioren beim Besuch durch den Medizinischen Dienst häufig äußerst „aufgekratzt“ und damit viel mobiler, als das im Alltag mit ihren Angehörigen der Fall ist.
Auch Pflegedokumentationen, die nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, könnten Irritationen und unbeabsichtigte Fehleinschätzungen seitens des MD auslösen. Daher achten Sie in Ihrem eigenen Interesse darauf, dass sämtliche Einschränkungen und Hilfestellungen im alltäglichen Umgang mit der oder dem Pflegebedürftigen auch wirklich in dieser Dokumentation vermerkt sind.
Im Zweifel sollte die Pflegedokumentation aktualisiert werden; zudem macht es Sinn, neuere Befunde, die zum Zeitpunkt Ihres Anschreibens an die Krankenkasse noch nicht vorlagen, als Kopie an den Gutachter des Medizinischen Dienstes zu übergeben. Sollten Sie dennoch mit der schriftlich zugestellten Einstufung unzufrieden sein, können Sie – wiederum bei Ihrer Pflegekasse – innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen.
Der wiederum hat dann eine erneute MD Begutachtung durch einen anderen/zweiten Gutachter des MD zu Folge. Ein Weg, der bei begründeten Zweifeln durchaus zu empfehlen ist, denn Pflegegutachten sind durchaus schon revidiert und die Betroffenen höher eingestuft worden!
Da der Pflegegrad anhand eines aufwendigen Punktesystems vergeben wird und der Gutachter die beim Hausbesuch erhobenen Daten zuerst in seinem Büro auswertet und dann an die Pflegekasse weiterleitet, vergehen meist mehrere Wochen bis zu einem endgültigen Bescheid.
Doch keine Sorgen: Denn die aus dem Bescheid resultierenden Leistungen werden rückwirkend ab dem auf Ihre Antragstellung folgenden Monat gewährt!
Natürlich gibt es auch Personengruppen, bei denen eine MD Begutachtung bereits per se erschwert wird. Dazu gehören Patienten mit Demenzerkrankungen, die durch die Pflegereform von 2017 besonders gestärkt wurden. Denn Ziel war es seinerzeit, körperliche und geistige Einschränkungen gleich stark zu gewichten und damit just dieser Personengruppe die gleichen Rechte wie in ihrer Mobilität eingeschränkten Pflegebedürftigen zu gewähren.
Daher werden sich die Gutachter des MD gerade beim Besuch von an Demenz erkrankten Personen ausreichend Zeit nehmen. Dazu gehört ein Gespräch mit den Betroffenen, selbst wenn die Kommunikation durch die Erkrankung bereits beeinträchtigt wird. Umso wichtiger sind in diesem Fall Angehörige, die ihre Sicht der Dinge und den Alltag mit der verwirrten Person darlegen.
Auch bei Kindern sind Eltern und/oder andere pflegende Angehörige als Ansprechpartner selbstredend unverzichtbar. Um eine faire Beurteilung der tatsächlichen Pflegebedürftigkeit eines behinderten Kindes zu ermöglichen, sind natürlich auch Quervergleiche zu gesunden Gleichaltrigen und deren Selbstständigkeit unverzichtbar.
Natürlich wird ein Hausbesuch durch den MD stets mit einer gewissen Nervosität verknüpft sein. Denn naturgegeben wünschen sich Betroffene und deren Angehörige die größtmögliche Unterstützung – und müssen demzufolge mitunter auch mal enttäuscht werden.
Tatsächlich lässt sich nicht jede beantrage Ein- oder Höher-Einstufung realisieren. Mitunter – etwa nach Schlaganfällen – kann sich ein Beschwerdebild ja auch wieder abschwächen, so dass Pflegebedürftige niedriger als zuvor eingestuft werden.
Doch das sollte ja letzten Endes ein Grund zur Freude sein, wenn diese Rückstufung quasi mit einem Mehr an Selbstständigkeit „erkauft“ wird!