Fast die Hälfte aller Suizide 2023 in Deutschland betrafen Senioren. Die Gründe sind vielfältig, liegen aber oft in Depression, Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit oder überwältigenden seelischen oder körperlichen Schmerz. Aus einer solch schweren Erkrankung ist es für Betroffene kaum möglich, alleine wieder aus der Spirale herauszufinden. Zurück bleiben dann trauernde Angehörige und Freunde und die Frage nach dem Warum.
In diesem Artikel erhalten Sie daher Anlaufstellen und Orientierung, wie Sie mit Suizidgedanken bei sich oder nahestehenden Personen umgehen können und wo Sie Hilfe erhalten. Denn wie dunkel Ihnen die Welt auch scheint und wie schwer es im Moment zu glauben ist: Es gibt immer einen Weg, zurückzufinden, und keine Krankheit heilt von alleine.
Hilfe für Senioren bei Suizidgedanken
Wichtige Nummern:
- Telefonseelsorge: 0800 111 0 111
- Rettungsdienst: 112
Wenn sich der Gedanke an Suizid in den Alltag drängt und das Leben leer oder hoffnungslos erscheint, so ist wichtig, dass Sie sich vor Augen halten: Sie sind nicht alleine und auch, wenn es kaum denkbar erscheint, man kann Ihnen aus jeder Dunkelheit heraushelfen.
Bei der Telefonseelsorge ist zu jeder Zeit jemand für Sie als erster Ansprechpartner erreichbar. Unter der 0800 111 0 111 können Sie sich unter Vertraulichkeit jeden Kummer von der Seele reden.
Wenn die Gedanken überhandnehmen und Sie kaum noch einen Ausweg sehen, können Sie auch die 112 anrufen und Ihre Situation schildern. Auch der Rettungsdienst ist für Sie zuständig und darf von Ihnen in Anspruch genommen werden.
Was bedeutet Suizid?
Suizid ist der Fachbegriff für die Selbsttötung. Die Ursachen sind vielschichtig und oft nicht in einer einzelnen Thematik verankert. Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, aber auch körperliche Erkrankungen spielen häufig eine Rolle. Insbesondere bei älteren Menschen ist auch der schleichende Verlust des selbstbestimmten Lebens und soziale Isolation ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Suizidgedanken sind kein Ausdruck von Schwäche oder Egoismus. Sie sind kaum erträgliche emotionale Schmerzen, die den Betroffenen ausweglos erscheinen.
Suizid betrifft aber nicht nur einen einzelnen Menschen. Schon der Krankheitsweg dorthin hinterlässt Spuren im sozialen Umfeld und der frei gewählte Tod trifft alle. Die Hinterbliebenen kämpfen dann häufig neben der Trauer auch mit Schuldgefühlen, nicht genug Hilfe geleistet zu haben. Dabei ist wichtig zu betonen, dass Hilfe in solch gravierenden Situationen vor allem professionell gehandhabt werden muss und Angehörige zwar unterstützende Begleitung bieten können, aber nicht alleine die Krankheit bewältigen.
Suizid bei Senioren: Ein unterschätztes Thema
Wer heute im Seniorenalter ist, ist noch mit einer starken Stigmatisierung von Krankheiten wie Depressionen aufgewachsen. Suizid galt nicht nur in katholischen Kreisen als Sünde und Zeichen von Willensschwäche. Heutzutage bemüht man sich hingegen, dieses Tabuthema aufzubrechen und präventiv zu arbeiten.
Jedoch erschwert diese lang gültige Sicht es vielen Betroffenen, sich schon bei den ersten Anzeichen Hilfe zu suchen. Noch zu oft werden Symptome ignoriert oder verheimlicht, auch vor engen Verwandten oder Freunden und erst recht vor Ärzten. Daher kann es schon viel helfen, wenn nahestehende Menschen frühe Anzeichen bemerken und behutsam nachfragen und Unterstützung bieten.
Risikofaktoren
Senioren tragen aus verschiedenen Gründen ein hohes Risiko, an Depressionen zu erkranken. Denn mit dem Alter steigt das Risiko für diverse Erkrankungen, die den Alltag zunehmend einschränken können. Alleine dieser Verlust an Autonomie ist für viele schwer zu ertragen und zu verarbeiten. Hinzu kommen auch andere Sorgen, wie finanzielle Probleme oder ein Verlust der kognitiven Fähigkeiten, die Angst vor der Zukunft schüren.
Darüber hinaus ist Einsamkeit ein großes Thema im Seniorenalter. Sei es durch Rückzug aufgrund Erkrankung, nach dem Verlust des vertrauten Umfeldes infolge eines Umzugs in ein altersgerechtes Zuhause oder durch die Entfernung zur Familie und den Tod von nahestehenden Personen. Dies verstärkt depressive Verstimmungen.
Was kann man selbst bei suizidalen Gedanken tun?
Wer Suizidgedanken entwickelt, hat in der Regel bereits eine längere Zeit des Leidens hinter sich gebracht. Dadurch denken viele, dass sie bereits alles probiert haben, um das Leiden zu lindern. Tatsächlich ist es aber oft so, dass zwar Maßnahmen ergriffen wurden, die aber nicht ausreichend geeignet waren - sehen Sie es wie ein Haus, das Sie jahrelang immer besser gedämmt haben, nur um festzustellen, dass die ganze Zeit die Heizung kaputt war.
Behalten Sie zudem im Blick, dass Suizidgedanken immer vorübergehend sind. Auch wenn der Moment noch so hoffnungslos scheint, so sind es doch Momente und nichts, was ewig bleibt.
Hier finden Sie professionelle Hilfe
Professionelle Hilfe und Unterstützung
Wichtig ist, dass Sie sich und Ihre Gedanken und Sorgen ernst nehmen und Hilfe zulassen. Sie werden bei jeder körperlichen Erkrankung ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen - auch Ihre Seele hat dies verdient. Therapeutische Fachkräfte sind darauf spezialisiert, Ihnen zu helfen, mit Ihren Sorgen umzugehen und diese zu beheben.
In den meisten Städten gibt es verschiedene Beratungsstellen, an die Sie sich wenden können, mit verschiedenen Schwerpunkten. Wenn der Glaube für Sie eine Rolle spielt, bieten Kirchen und Gemeinden Ihnen Halt, aber auch speziell für Senioren gibt es oft Angebote der Stadt oder sozialer Träger.
Auch von Zuhause aus können Sie erste Schritte unternehmen. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr mit ausgebildeten Ehrenamtlichen besetzt, die behutsam und verständnisvoll zuhören und Ihnen auch Empfehlungen zur weiteren Hilfe geben können. Im Internet finden Sie Kontaktmöglichkeiten zu Therapeuten und auch zu anderen Betroffenen, die Ihnen den Rücken stärken.
Selbstfürsorge und Rücksicht auf das eigene Ich
Sich ernst zu nehmen bedeutet auch, auf sich zu achten. Wenn es Ihnen schlecht geht, vernachlässigen Sie sich oft auch selbst. Selbstfürsorge bedeutet, dass Sie für sich Verantwortung tragen und sich gut behandeln.
Dazu gehört, dass Sie sich sauber und gepflegt fühlen, dass Sie regelmäßig an die frische Luft bei Tageslicht kommen und dass Sie genug essen und trinken. Dies beugt Depressionen vor und auch suizidalen Gedanken.
In einer Depression sind diese Tätigkeit ungeheuer anstrengend. Seien Sie also rücksichtsvoll sich selbst gegenüber und tun Sie, was Ihnen guttut und nur so viel Sie schaffen. Achten Sie so gut es geht auf Ihre mentale Gesundheit. Jeder Handgriff, den Sie für sich tun, ist hilfreich.
Den Alltag positiver gestalten für mehr Lebensfreude
Es kann helfen, aktiv nach kleinen Dingen zu suchen, die Freude bereiten oder Ablenkung schaffen. Dies können beispielsweise kreative Tätigkeiten für Senioren wie Malen, Schreiben oder Musizieren sein. Auch das Pflegen von Pflanzen, das Kochen eines Lieblingsgerichts oder das Lesen eines guten Buchs kann den Alltag bereichern. Wichtig ist, sich kleine, erreichbare Ziele zu setzen, um nicht von Überforderung überwältigt zu werden.
Soziale Kontakte, auch wenn sie anfangs schwerfallen, sind ein wichtiger Baustein gegen Einsamkeit. Ein erster Schritt könnte sein, sich einer Gruppe oder einem Verein anzuschließen, etwa für Seniorensport, Handwerk oder gemeinsames Spazierengehen. Viele Städte bieten auch niedrigschwellige Freizeitangebote an, wie offene Treffpunkte oder Kurse in Volkshochschulen.
Auch Tiere können Trost spenden und einen Sinn im Alltag schaffen. Vielleicht bietet sich die Möglichkeit, einen Hund auszuführen, sich um ein Haustier zu kümmern oder sich als Ehrenamtlicher im Tierheim zu engagieren.
Schließlich kann es hilfreich sein, neue Rituale zu entwickeln, die Freude in den Alltag bringen – sei es das bewusste Genießen einer Tasse Tee am Morgen, ein abendlicher Spaziergang oder das Schreiben von drei positiven Erlebnissen am Tag. Diese kleinen Schritte können helfen, wieder mehr Sinn und Lebensfreude zu erfahren.
Wie erkennen Angehörige Warnzeichen?
Angehörige fühlen sich häufig hilf- und machtlos, wenn jemand an Depressionen erkrankt oder sogar Suizidgedanken äußert. Wichtig ist, dass Sie sich verdeutlichen, dass Sie nicht dafür verantwortlich sind, was passiert oder wie es jemandem geht. Aber aufgrund der Nähe zwischen Ihnen können Sie auf einige Anzeichen achten, hinter denen sich mehr als nur ein schlechter Tag verbergen kann. Unter Umständen ist Ihre Aufmerksamkeit der Punkt, dass es Ihren Liebsten irgendwann wieder besser geht.
Häufige Warnsignale
Die meisten Betroffenen verstecken ihre Sorgen und Nöte sehr lange vor denen, die ihnen wichtig sind. Daher ist es schwer, Warnsignale zu erkennen, wenn die Betroffenen dies tunlichst vermeiden wollen. Nichtsdestotrotz können Sie auf einige Dinge achten und proaktiv auch Maßnahmen vorschlagen.
Einsamkeit ist oft ein großer Faktor. Dagegen müssen und sollten Sie nicht alleine angehen, sondern eher Ihre Angehörigen zu mehr Sozialleben ermuntern und gegebenenfalls sie dabei begleiten. Wenn Sie bemerken, dass diese Angebote zunehmend abgelehnt werden, vielleicht auch aus fadenscheinigen Gründen, sprechen Sie dies an.
Oft fließen Sorgen aber auch in winzigen Bemerkungen in die alltäglichen Gespräche ein. Wenn ein Angehöriger immer mutloser klingt, immer öfter über negative Dinge spricht und eher eine pessimistische Sicht einnimmt, kann dies ein Frühwarnzeichen sein, dass etwas nicht in Ordnung ist. Nehmen Sie dies ernst.
Welche Hilfe können Angehörige leisten?
Sie sind als Angehörige begrenzt in Ihren Hilfsmitteln. Jedoch kann es entscheidend sein, dass Sie überhaupt involviert sind und Ihre Unterstützung zusichern. Deswegen ist ein frühes Ansprechen wichtig und auch, dass Sie früh klarstellen, dass Sie keinerlei Vorwürfe machen wollen und lediglich da sind.
Bringen Sie so früh wie möglich auch professionelle Hilfe ins Spiel. Ob Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder Therapie - suchen Sie nach einem ganzen Team von Unterstützenden, statt alles alleine zu schultern. Doch aufgrund des Vertrauensverhältnisses zu Ihnen ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass Ihr Angehöriger Hilfe annimmt, wenn Sie dabei sind.
Hier finden Sie Tipps für den Umgang als Angehöriger
Welche Hilfe wird Angehörigen geboten?
Auch Sie sind nicht alleine. Viele Beratungsstellen bieten zusätzliche Angebote für Angehörige an, ebenso hilft der Austausch in Selbsthilfegruppen. Nehmen Sie dies in Anspruch, auch wenn es scheint, als wären Sie noch nicht sehr betroffen. Es gibt keinen Mindestleidensdruck, ab dem Sie Hilfe erhalten dürfen. Im Gegenteil sollten Sie auf sich und Ihre mentale Gesundheit achten, denn nicht selten wirken sich Depressionen und Suizidgedanken auch auf Ihren mentalen Zustand erschöpfend aus.
Prävention als Mittel gegen Suizid bei Senioren
Eigene Prävention, bevor es Ihnen zu schlecht geht, ist, sich offen und ehrlich über eigene Gefühle und Gedanken zu äußern. Für viele Menschen erfordert dies ein gewisses Training, daher sollten Sie daran arbeiten, bevor es Ihnen zu schlecht geht. Hören Sie dabei auch Ihrem Gegenüber zu, wie dieses die Welt und auch Sie wahrnimmt. Oft versperren Depressionen und andere Erkrankungen einem die Sicht auf die Welt und filtern die Schönheit und die Freude heraus. Andere Augen können dies noch sehen.
Fazit
Suizidgedanken betreffen Senioren weitaus häufiger, als man denkt. Lebensumstände, allgemeine Sorgen, Erkrankungen oder das Gefühl, sich selbst zu verlieren, rauben Menschen die Hoffnung und die Lebensfreude. Am Ende von viel Schmerz, Trauer und Leere kann der Suizid stehen, doch gibt es jederzeit die Möglichkeit, von diesem Weg abzukommen. Dies ist jedoch fast nie alleine möglich. Umso wichtiger ist es, dass Sie Hilfe zulassen.
Wenn Sie oder Ihnen nahestehenden Personen Ängste und Sorgen haben, können Sie sich jederzeit unter 0800 - 111 0 111 an die Telefonseelsorge wenden. Wenn Sie Suizidgedanken haben oder jemand diese äußert, ist auch der Rettungsdienst unter 112 zuständig, notfallmäßig seelische erste Hilfe zu leisten.
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