Libify Magazin | Pflege und ein glückliches Leben im Alter

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Geschrieben von libify | Oct 2, 2024 12:49:56 PM

Der selbstbestimmte Alltag von Pflegebedürftigen wird oft nur durch pflegende Angehörige möglich. Die Übernahme einer solchen Verantwortung ist für diese aber mit einigen Herausforderungen verbunden, insbesondere mit der Frage der Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und Familie. Die Doppelbelastung stellt den Alltag auf eine harte Probe. Deswegen bietet der Gesetzgeber zunehmend mehr Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen für Familien an, um besonders Beruf und Pflege zu ermöglichen.

In diesem Artikel stellen wir Ihnen einige Ideen vor, wie Sie die Balance zwischen Fürsorge und Verpflichtung halten können und dabei gesund bleiben. 

Nicht zu unterschätzen: Mental Load als pflegende Angehörige

Wer Angehörige pflegt, muss an eine Vielzahl von großen und kleinen Aufgaben denken, die zu erledigen sind: Arzttermine vereinbaren und einhalten, Medikamente verabreichen, Rezepte einlösen, Absprachen mit Pflegediensten, Familienmitgliedern oder helfenden Händen, Einkaufslisten schreiben und noch vieles mehr. All diese Aufgaben entstehen aufgrund der Pflegebedürftigkeit, haben aber mit der tatsächlichen Pflege nur am Rand zu tun und werden daher schnell als Stressfaktor übersehen und vergessen. 

Dabei kommt der eigene Alltag noch als Mental Load hinzu, denn auch der eigene Haushalt will erledigt, der eigene Kühlschrank gefüllt und die eigenen Termine eingehalten werden. Wer berufstätig ist, muss dann noch mit dem dritten Arm die beruflichen Aufgaben und Belastungen jonglieren. 

Was ist Mental Load?

Mental Load ist ein Begriff, der die unsichtbare Arbeit umfasst, der neben der körperlichen Pflege anfällt und zu Stress werden kann. Er beschreibt die mentale Belastung der Organisation und Koordination von Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Alltag, die nur schwer greifbar ist und doch gravierende Auswirkungen zeigen kann. 

Der Begriff selbst ist weder negativ noch positiv, sondern eher die Beschreibung einer Maßeinheit von Stress. Wenn aber der Mental Load höher ist als die individuellen Kapazitäten es erlauben, wirkt sich dies deutlich negativ auf die psychische und schlussendlich auch die physische Gesundheit aus. 

Strategien zur Entlastung

Um den Mental Load zu begrenzen und Beruf und Pflege unter einen Hut bringen zu können, sind gezielte Maßnahmen zur Unterstützung und Entlastung wichtig. Dabei gilt immer: Lassen Sie das zu, was hilft. Das bedeutet einerseits, dass Sie genau darauf achten sollten, was sich für Sie tatsächlich nach Entlastung anfühlt - denn manche Maßnahmen können auch individuell zusätzlichen Stress bedeuten und damit das Problem eher vergrößern. Andererseits ist es der Impuls, sich nicht “aufzuopfern”, also Hilfe zuzulassen und es nicht als Schwäche oder Belastung anderer zu betrachten.

Eine der wichtigsten Strategien ist eine systematisch, bestenfalls auch automatisierte Planung und Organisation. Oft wiederholen sich Aufgaben in regelmäßigen Abständen, sodass ein Kalendersystem mit einer Wiedervorlage für regelmäßige Aufgaben schon einiges an Zeit und Denkenergie zurückgibt. Allgemein sind ToDo-Listen und Wochenpläne, die den Tag, aber auch die anstehenden Aufgaben und Termine strukturieren, empfehlenswert. Dabei sollte Ihre individuelle Präferenz entscheiden, ob Sie lieber einen analogen Kalender aus Papier oder ein digitales Tool nutzen wollen. 

Selbstfürsorge ist mehr als ein Trendwort. Sie beginnt bereits bei der Einhaltung von Pausen im Alltag und der Priorisierung dieser Momente über die zu erledigenden Aufgaben. Pausen können kurze Momente des Durchschnaufens sein, aber umfassen auch längere Zeiten, in denen Sie Ihren Hobbies nachgehen oder sich Zeit für Ihre Entspannung nehmen. Techniken zur Entspannung wie Meditation oder autogenes Training können dann helfen, den Stresspegel langfristig zu senken. 

 

 

Respektvoller Umgang zwischen pflegende Angehörige und Pflegebedürftige

Konflikte vermeiden

Die besondere Situation von pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen liegt darin, dass sie sowohl in der Abhängigkeitssituation der Pflege sind wie auch in der Rolle der Familienmitglieder, die meist genau andersherum die Fürsorge auslebt. Dies kann zu Konflikten führen, wenn sich pflegebedürftige Eltern von ihren Kinder bevormundet fühlen oder eben diese Kinder das Gefühl von Verlust des elterlichen Zuspruchs haben. 

Um diese delikaten Rollen behutsam zu füllen, sollten Sie die Gefahr von Konflikten sehen und nicht ignorieren. Suchen Sie die Kommunikation über diese neue Bindung zwischen Ihnen immer wieder und geben Sie Ihren Gefühlen und denen der pflegebedürftigen Person Raum. So dämmen Sie die Gefahr eines Streits gut ein und begegnen sich auf Augenhöhe.

Bedürfnisse respektieren

Als pflegende Angehörige kommt Ihnen die besondere Aufgabe zu, einen selbstbestimmten Alltag zu gewährleisten. Das bedeutet vor allem, dass in der Pflege der Pflegebedürftige ein hohes Mitbestimmungsrecht hat, auch wenn Sie gelegentlich Entscheidungen nicht nachvollziehen können oder sogar ablehnen würden. Ebenso ist wichtig, dass Sie die Prioritäten und Wünsche der Pflegebedürftigen nicht klein machen oder bewerten. Denken Sie daran, dass auch Sie sich später wünschen werden, Ihren Alltag wie gewohnt fortzusetzen und liebgewonnene, auch heilsame Strukturen einhalten zu können.

Gleichzeitig sind natürlich auch Ihre Bedürfnisse und Grenzen von Bedeutung. Suchen Sie daher regelmäßig das Gespräch miteinander und erklären Sie sich auch gegenseitig Ihre Anliegen. Wenn Sie sich verstehen, wird es sicherlich einfacher, aufeinander Rücksicht zu nehmen.

Wie Pflege- und Krankenkassen bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf helfen 

Recht auf Pflegezeit

Pflegezeit ist eine unbezahlte und teilweise oder vollständige Freistellung von pflegenden Angehörigen durch den Arbeitgeber für bis zu 6 Monate. Bei der Begleitung eines pflegebedürftigen Angehörigen in den letzten Lebensmonaten in einem Hospiz beträgt die Pflegezeit 3 Monate.

Sie muss 10 Tage vor Inanspruchnahme dem Arbeitgeber schriftlich angekündigt werden. In diesem Schreiben muss auch bereits erklärt werden, wann, wie lange und in welchem Umfang die Freistellung erbeten wird. Bei einer teilweisen Freistellung, also einer Weiterbeschäftigung in Teilzeit, muss auch eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit vorliegen. 

Anspruch haben Angestellte in Betrieben, die mindestens 16 Mitarbeitende beschäftigen. Der Arbeitgeber muss dann zustimmen, insofern keine dringenden betrieblichen Gründe dem entgegenstehen. Außerdem haben die Antragsteller während der Pflegezeit einen besonderen Kündigungsschutz. In Betrieben mit weniger Angestellten kann die Pflegezeit nur auf freiwilliger Basis genommen werden und es besteht kein rechtlicher Anspruch. 

Weiter muss eine Pflegebedürftigkeit bereits bestehen und dem Arbeitgeber auch nachgewiesen werden. Die zu pflegende Person muss ein naher Angehöriger sein, dazu zählen Verwandte und Stiefverwandte 1. und 2. Grades, also Eltern, Großeltern, Partner, Geschwister, Kinder, Nichten und Neffen und Enkelkinder.

Da während der Pflegezeit kein Gehalt gezahlt wird, können Sie ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie beantragen. Achten Sie darauf, Ihre Krankenversicherung übergangsweise auf eine Familienversicherung umzustellen. Wenn die pflegebedürftige Person mindestens den Pflegegrad 2 hat, Sie mindestens 10 Stunden in der Woche pflegen und dabei nicht mehr als 30 Stunden noch einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, sind Sie in dieser Zeit auch rentenversichert und beitragsfrei gesetzlich unfallversichert.

Familienpflegezeit

Familienpflegezeit ist im Unterschied zur Pflegezeit auf eine Dauer von bis zu 24 Monaten angelegt und berechtigt Sie, sich dann teilweise von der Arbeit freistellen zu lassen, wenn Sie im Durchschnitt in dieser Zeit auf 15 Stunden Arbeit pro Woche kommen. Die Hürde für die Voraussetzung im Betrieb erhöht sich auf eine Angestelltenzahl von mindestens 26. Aber auch hier gilt, dass bei kleineren Betrieben eine Freistellung eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers sein kann.

Die Familienpflegezeit muss mindestens 8 Wochen vor Beginn schriftlich angekündigt werden. Wie bei der Pflegezeit sind Beginn, Zeitraum  und Umfang der Freistellung darzulegen. 

Die Familienpflegezeit und die Pflegezeit können auch kombiniert in Anspruch genommen werden, sodass beispielsweise zwei Personen gleichzeitig sich um die Pflege kümmern können. 

Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

In einer akut auftretenden Pflegesituation kann der Ankündigungsfrist von 10 Tagen für die Pflegezeit kaum Genüge getan werden. Daher hat der Gesetzgeber das Instrument der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung geschaffen, um für einen kurzen Zeitraum die Betreuung von Pflegebedürftigen durch die Angehörigen sicherzustellen und eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren.

Den Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung haben alle Angestellten, unabhängig von der Betriebsgröße. Allerdings darf der Arbeitgeber einen Nachweis der Pflegebedürftigkeit und des Bedarfs an akuter Pflegeübernahme fordern. Bis zu 10 Arbeitstage kann so kurzfristig eine Freistellung erwirkt werden.

Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung haben Sie Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld, das 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beträgt. Sie müssen es aber selbst bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragen und sind nur dazu berechtigt, wenn nicht Ihr Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Bestimmung oder gemeinsamer Vereinbarung Ihr Gehalt fortzahlt.

Nützliches Hilfsmittel für pflegende Angehörige: Der Hausnotruf

Als pflegende Angehörige ist es zur eigenen Entlastung wichtig, dass Sie Hilfe annehmen und auch auf technische Unterstützung setzen. Eine Vielzahl von Hilfsmitteln wird von den Kranken- oder Pflegekassen teilweise oder sogar vollständig gezahlt und erleichtert Ihren Alltag ebenso wie die selbstbestimmte Pflege Ihres Angehörigen.

Hausnotrufsysteme sichern Ihre pflegebedürftigen Angehörigen besonders dann ab, wenn Sie nicht in der Nähe sein können oder es keiner durchgehenden Betreuung bedarf. Sie erhalten dabei ein Basisgerät und einen mobilen Funksender, den der Pflegebedürftige an einer Kette oder Armband mit sich tragen kann und der sogar duschfest ist. 

In einem Notfall oder bei anderen Situationen, die Hilfe erfordern, wird per Knopfdruck ein Alarm ausgelöst. Die rund um die Uhr besetzte Telefonzentrale versucht dann, Kontakt aufzunehmen, um die für die Situation geeignete Hilfe zu entsenden. Von vorher vereinbarten Hilfsketten bis hin zum Rettungsdienst bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wird genau die Hilfe organisiert, die gebraucht wird.

Für Sie bedeuten Hausnotrufsysteme vor allem das Gefühl von Sicherheit und die Entlastung für Sie, dass Sie ohne Sorgen Ihre Angehörigen auch zeitweise allein lassen können. So können Sie Ihrem Alltag, aber auch Ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen und werden im Ernstfall informiert.

 

Fazit

Wer Verantwortung als pflegende Angehörige übernimmt, trägt weitaus mehr als nur die pflegerischen Maßnahmen. Das ist nicht nur gelebte Solidarität, sondern kann auch zur Belastung werden. Gerade, wenn Sie neben der Pflege noch berufstätig sind und dies auch bleiben wollen, sollten Sie daher auf Unterstützungsmaßnahmen der Pflegekassen und in Ihrem Umfeld zurückgreifen. Von Familienpflegezeit bis zum Hausnotruf gibt es viele Mittel, die Ihren Alltag erleichtern und die Ihnen eine gesunde Pflege ermöglichen.