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Verhinderungspflege voll ausschöpfen - Das steht Ihnen zu

Geschrieben von libify | May 14, 2024 5:47:00 AM

Etwa 5 Millionen Menschen in Deutschland pflegen ihre Angehörigen teilweise oder vollständig selbst. Das ist anstrengend für die körperliche und auch die mentale Gesundheit, sodass Rückenprobleme, aber auch Depressionen bis hin zum Burn-Out-Syndrom nicht selten sind. Um Angehörige zu entlasten und so die häusliche Pflege zu unterstützen, zahlen die Pflegekassen die sogenannte Verhinderungspflege. 

Diese ist aber immer noch vielen unbekannt - dabei kann sie, vollumfänglich genutzt, zu einer starken und belastbaren Pflegeergänzung werden. Was aber ist die Verhinderungspflege und welche Vorteile sich 2025 ergeben, erfahren Sie hier.

 

Vor- und Nachteile der häuslichen Pflege

Die Pflege zu Hause ist deutlich kostengünstiger als die Unterbringung in einem Pflegeheim. Denn die dabei anfallenden Kosten übersteigen oftmals Altersbezüge und Pflegesachleistungen, so dass ein Erbe oder eine Immobilie oft noch zu Lebzeiten des Pflegebedürftigen „aufgezehrt“ werden muss. Zudem ist es oft auch ausdrücklicher Wunsch von Pflegebedürftigen und Angehörigen, dass die Pflege in der Familie übernommen wird und sich die Generationen umeinander kümmern.

Allerdings ist Pflege auch anstrengend und bedeutet eine Belastung sowohl für die körperliche wie auch die psychische Gesundheit von Pflegepersonen. Verschiedenen Untersuchungen zufolge, fühlen sich rund 75 Prozent der Angehörigen überfordert, oftmals regelrecht ausgebrannt. Auch zögern viele, Urlaub oder andere Entspannungszeiten zu nehmen, weil sie sich um die notwendige Betreuung und Versorgung Gedanken machen. Doch diese sind essentiell, um langfristig eine Pflege aufrecht erhalten zu können und gesund zu bleiben.

Was ist Verhinderungspflege?

Verhinderungspflege ist eine von mehreren Maßnahmen, die die Pflegekasse anbietet, um pflegende Angehörige zu entlasten. Denn nicht nur die Eigenständigkeit der pflegebedürftigen Person steht im Fokus, sondern auch die der Pflegeperson. Das bedeutet, dass diese auch bei Krankheit, Urlaubszeiten und weiteren Verpflichtungen, welche die Pflege verhindern, sich keine Sorgen um die Versorgung des Angehörigen machen müssen. Die gesetzliche Grundlage dazu ist im Sozialgesetzbuch verankert.

Die Pflegekasse zahlt in diesem Fall eine Ersatzpflege, die sowohl im häuslichen Umfeld als auch in einer Einrichtung stattfinden kann und eine Vertretung durch andere Angehörige, ehrenamtliche Pflegende oder auch einen ambulanten Pflegedienst übernimmt. Für bis zu 6 Wochen pro Kalenderjahr kann diese Maßnahme in Anspruch genommen werden. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass vor Antragstellung die Pflegeperson sich bereits seit mindestens 6 Monaten um die Pflege in der häuslichen Umgebung des zu Pflegenden kümmert.

Wichtig ist, dass die sechs Wochen nicht am Stück und auch nicht wochen- oder tageweise genommen werden müssen, sondern stundenweise ein Anspruch besteht. Das ist oft für Pflegepersonen von Angehörigen mit kognitiver Erkrankung wie Demenz bedeutsam und eine große Entlastung, da sie so für mehrere Stunden das Haus für Alltagsbesorgungen oder die Arbeit verlassen können und die Betreuung weiterhin sichergestellt ist. Auch die hauswirtschaftliche Versorgung einer pflegebedürftigen Person kann die Verhinderungspflege abdecken, z.B. Einkauf, Kochen oder weitere Haushaltstätigkeiten.
Als stundenweise Verhinderungspflege wird jede Art von Ersatzpflege betrachtet, die weniger als acht Stunden am Tag beträgt. Dies ist ein Sonderfall, da sie die Maximalhöhe von 42 Tagen weiterhin unangetastet lässt.

Lediglich die medizinische Behandlungspflege ist von der Verhinderungspflege ausgeschlossen, da diese ärztlich verordnet ist und durch die Krankenkasse, nicht die Pflegekasse abgerechnet wird, und zudem zwingend Fachpersonal erfordert. 

 

Wie viel Geld erhält man für die Verhinderungspflege?

Während der Verhinderungspflege wird die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes weitergezahlt. Darüber hinaus erhält die Vertretung Zahlungen für die Übernahme der Pflege. Wie hoch diese Zahlungen ausfallen, hängt davon ab, wer die Ersatzpflege übernimmt.

Wenn weitere Angehörige oder Dritte, die mit der pflegebedürftigen Person zusammenleben, die Verhinderungspflege nicht gewerbsmäßig übernehmen, darf die Zahlung durch die Pflegekasse höchstens den 1,5fachen Betrag des Pflegegeldes betragen. Dieses liegt, je nach Pflegegrad, zwischen 332 Euro im Monat (Pflegegrad 2) und 947 Euro im Monat (Pflegegrad 5). Hinzu kommen nachgewiesene Aufwendungen wie Fahrtkosten oder Verdienstausfall. Allerdings darf die Pflegekasse nicht mehr als 1612 Euro insgesamt zahlen.

Anders liegt der Fall, wenn die Pflege von Angehörigen oder ähnlichen Dritten gewerbsmäßig ausgeführt wird. Dann werden sie gleich behandelt mit der Ersatzpflege durch alle, die mit der pflegebedürftigen Person nicht enger als bis zum 2. Grad verwandt oder verschwägert sind und die auch nicht mit ihr zusammenwohnen.

Der Stundenlohn für die Ersatzpflege legt die vertretende Person oder der ambulante Pflegedienst selbst fest. Sie muss sich lediglich nach dem Sozialgesetzbuch an das „Wirtschaftlichkeitsgebot“ halten, das vorgibt, dass Leistungen wirksam und wirtschaftlich sein müssen, jedoch das Maß des Notwendigen nicht übersteigen soll. Damit soll auch ein horrender Stundenlohn oder das Abrechnen von nicht notwendigen Leistungen zur Steigerung der Zahlungen verhindert werden.

Wer bekommt das Geld für die Verhinderungspflege?

Während der Verhinderungspflege erhält die pflegebedürftige Person weiterhin Pflegegeld, jedoch nur zur Hälfte. Auch wenn dieses Geld in der Regel an die Pflegeperson weitergegeben wird, um deren Aufwendungen und Arbeit zu kompensieren, kann nur die zu pflegende Person den Anspruch geltend machen.

Die Zahlungen an die Vertretung hingegen werden von der Pflegekasse nur auf Antrag hin erstattet. Diesen Antrag kann auch die Pflegeperson stellen, sofern sie bei der Pflegekasse als solche eingetragen ist. Dies gilt sowohl für Vertretungen durch Angehörige oder andere nahestehende Personen wie auch für die Übernahme der Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst.

Ist Verhinderungspflege steuerfrei?

Wird die Verhinderungspflege von Angehörigen oder anderen nahestehenden Dritten nicht gewerblich ausgeführt, ist das gezahlte Geld steuerfrei. Es muss jedoch weiterhin in der Steuererklärung als Einkommen angegeben werden. Die gewerbliche Ausübung, ob durch Angehörige oder einen professionellen Pflegedienst, gilt hingegen als steuerpflichtiges Einkommen.

Einen Sonderfall bildet die Zahlung an Ersatzpflegepersonen, die eine sogenannte sittliche Pflicht mit der Pflege erfüllt. Diese liegt z.B. bei ehrenamtlicher Pflege vor, wenn also Ehrenamtliche die Betreuung und Versorgung aus Nächstenliebe, Überzeugung oder Pflichtbewusstsein übernehmen, ohne eine Erwerbsabsicht zu haben. Typischerweise ist dies bei der stundenweise Verhinderungspflege der Fall, wenn beispielsweise ein Nachbar das Einkaufen übernimmt oder eine Bekannte der Familie das Kochen. 

 

Wer hat Anspruch auf Verhinderungspflege?

Anspruch auf Verhinderungspflege besteht immer dann, wenn die pflegebedürftige Person mindestens den Pflegegrad 2 aufweist.

Darüber hinaus existieren wenig Hindernisse für den Anspruch auf Verhinderungspflege. Da die Entlastung der individuellen Situation entgegenkommen soll, ist auch kaum ein Antragsgrund nicht zulässig. Dadurch soll auch das Hemmnis von Pflegepersonen niedrig bleiben, die Unterstützungsmaßnahme zu nutzen. 

 

Verhinderungspflege beantragen

Die Verhinderungspflege beantragen Sie direkt bei der Pflegekasse. Dies geht formlos mit einem Schreiben, aber viele Pflegekassen stellen auch ein entsprechendes Formular bereit. Für eine entspannte Abwicklung ist es ratsam, möglichst früh einen solchen Antrag zu stellen, allerdings können Sie auch nachträglich die Kostenübernahme für eine Verhinderungspflege beantragen.

Damit sind Sie immer abgesichert - auch wenn Sie unvermittelt krank werden und die Pflege sehr kurzfristig an Dritte übertragen müssen. 

 

Kann man den Antrag auf Verhinderungspflege rückwirkend stellen?

Ja, sie können die Kosten für eine Verhinderungspflege bis zu 4 Jahre rückwirkend abrechnen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Pflegeübernahme die Voraussetzungen für eine Verhinderungspflege erfüllt waren.

Die Zahlungen für die rückwirkende Übernahme entnimmt die Pflegekasse allerdings dem Budget des Jahres, in dem der Antrag gestellt wurde. Dies wirkt sich also auch auf die Möglichkeiten aus, im laufenden Jahr eine Verhinderungspflege zu beantragen.

 

 

Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege kombinieren

Wenn das Budget für die Kurzzeitpflege nicht voll ausgeschöpft wird, können Sie auch die Verhinderungspflege mit bis zu 806 Euro zusätzlich ausstatten. Allerdings sollten Sie dies mit Bedacht machen, da Sie im Bedarfsfall die Kurzzeitpflege dann bis zum Ende des Kalenderjahres nicht mehr nutzen können.

 

Ausblick: Entlastungsbudget ab 2025 

Ab dem 1.7.2025 tritt für alle Menschen ab Pflegegrad 2 das Entlastungsbudget in Kraft. Für Menschen bis zum 25. Lebensjahr, die Pflegegrad 4 oder 5 aufweisen, begann die Umstellung bereits zum 1.1.2024.

Das Entlastungsbudget ist eine Reform, die bürokratische Hürden für Pflegepersonen abbauen sollen. Sie führt Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zusammen zu einem Budget und gleicht dabei auch die Voraussetzungen und Bedingungen an. Statt Teile der Kurzzeitpflege für die Verhinderungspflege zu nutzen (oder andersherum), gibt es nun einen festen Betrag. Für Sie als Pflegeperson ändert sich daher nichts, da auch die Beantragung von Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege verbleibt. Lediglich für die Pflegekassen bedeutet das Entlastungsbudget eine deutliche Vereinfachung der Arbeitsschritte, da nun nicht mehr verschiedene Voraussetzungen geprüft werden müssen und auch das Umschichten des Betrags aus dem Budget der Kurzzeitpflege ins Budget der Verhinderungspflege entfällt.

Für pflegende Angehörige erleichtert es aber auch den Zugang zu unterstützenden Maßnahmen. Denn Sie können nun mit einem weitaus höheren Budget arbeiten, das Sie auch nach eigenem Bedarf in Kurzzeit- und Verhinderungspflege aufteilen. 

Eine Vereinheitlichung der Voraussetzungen für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege geht damit einher:

  • Die Voraussetzung von mindestens 6 Monaten vorangegangener häuslicher Pflege entfällt für die Verhinderungspflege.
  • Die Höchstdauer der Verhinderungspflege wird von 6 auf 8 Wochen erhöht, entsprechend der Regelung bei der Kurzzeitpflege.
  • Das halbe Pflegegeld wird nun für bis zu 8 Wochen während der Verhinderungspflege weiter bezahlt, im Gegensatz zur vorherigen Begrenzung auf 6 Wochen.

Das Budget beträgt zukünftig insgesamt 3539 Euro im Jahr. Für die Übergangszeit zwischen dem 1.1.24 und dem 1.7.25, wenn das Entlastungsbudget bereits für Personen unter 25 Jahren mit Pflegegrad 4 und 5 gelten soll, beträgt es 3386 Euro im Jahr.